Der Vortrag bezieht sich auf den Roman ‚Die letzte Welt‘ des österreichischen Schriftstellers Christoph Ransmayr. Das Werk verarbeitet das historische Ereignis des Exils des lateinischen Dichters Ovid in Tomi aus einer postmodernen Perspektive und stellt Begriffe wie Wahrheit und Rationalität in Frage. Um seinen totgesagten Freund und Dichter im Exil zu finden und auch, um dem Druck eines repressiven Zentralstaates zu entkommen, begibt sich der Römer Cotta in dieses für die Rom-zentrische Sichtweise ‚exotische‘ Gebiet. Dieses Abenteuer führt zu einer geistigen Wandlung der Hauptfigur. Die Reise an die ‚Grenzen‘ der Welt bringt den Protagonisten dazu, seine rationale römische Perspektive aufzugeben und sich auf eine Welt des Chaos und der Ungewissheit einzulassen, die Tomis wilde Realität ausmacht. Der Roman entstand im größeren Kontext der Krise, die den Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert kennzeichnete. In der Tat stellt der Text durch die erfolglose Suche nach dem Dichter Ovid gnoseologische Paradigmen über die Möglichkeit effektiven Wissens in Frage, die sich unter anderem auf Nietzsches Perspektivismus und das Ende der großen Erzählungen von Lyotard beziehen, in dem breiteren Kontext der Ungewissheit, der die Ästhetik der Postmoderne und der Jahrtausendwende kennzeichnet. In einem beinahe apokalyptischen Szenario der Stadt Tomi voller Anachronismen und Berührungspunkte mit der Modernität, das aus anthropologischer Sicht absolut negativ ist und darüber hinaus Tomi durch Schwerindustrie zu einer „eisernen Stadt“ werden lässt, werden im Roman auch Überlegungen zu den politischen Krisen totalitärer Regime angestellt. Diese werden im Text am Beispiel des unterdrückerischen Römischen Reiches dargestellt, das von der literaturwissenschaftlichen Forschung und vom Autor selbst mit den Regimen der DDR und der Sozialistischen Republik Rumänien verglichen worden ist. Ein weiteres Element der Krise ist sicherlich das der Klassizität: Die Romanfiguren stammen fast alle aus dem klassischen ovidischen Mythos, werden aber gleichzeitig ihres Glanzes beraubt und als entkräftet und erniedrigt dargestellt. Der Vortrag zielt darauf ab, diese Aspekte zu skizzieren, die diesen Text zu einem Sinnbild der deutschsprachigen Krisenliteratur machen
Die Krise der gnoseologischen, anthropologischen und politischen Paradigmen im Roman Die letzte Welt von Christoph Ransmayr / Esposito, Gianluca. - (2024). (Intervento presentato al convegno Krise neudenken: Erfahrungen, Herausforderungen und Chancen tenutosi a Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku - Università Josip Juraj Strossmayer di Osijek (Croazia) nel 27-29/06/2024).
Die Krise der gnoseologischen, anthropologischen und politischen Paradigmen im Roman Die letzte Welt von Christoph Ransmayr
Esposito, Gianluca
2024
Abstract
Der Vortrag bezieht sich auf den Roman ‚Die letzte Welt‘ des österreichischen Schriftstellers Christoph Ransmayr. Das Werk verarbeitet das historische Ereignis des Exils des lateinischen Dichters Ovid in Tomi aus einer postmodernen Perspektive und stellt Begriffe wie Wahrheit und Rationalität in Frage. Um seinen totgesagten Freund und Dichter im Exil zu finden und auch, um dem Druck eines repressiven Zentralstaates zu entkommen, begibt sich der Römer Cotta in dieses für die Rom-zentrische Sichtweise ‚exotische‘ Gebiet. Dieses Abenteuer führt zu einer geistigen Wandlung der Hauptfigur. Die Reise an die ‚Grenzen‘ der Welt bringt den Protagonisten dazu, seine rationale römische Perspektive aufzugeben und sich auf eine Welt des Chaos und der Ungewissheit einzulassen, die Tomis wilde Realität ausmacht. Der Roman entstand im größeren Kontext der Krise, die den Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert kennzeichnete. In der Tat stellt der Text durch die erfolglose Suche nach dem Dichter Ovid gnoseologische Paradigmen über die Möglichkeit effektiven Wissens in Frage, die sich unter anderem auf Nietzsches Perspektivismus und das Ende der großen Erzählungen von Lyotard beziehen, in dem breiteren Kontext der Ungewissheit, der die Ästhetik der Postmoderne und der Jahrtausendwende kennzeichnet. In einem beinahe apokalyptischen Szenario der Stadt Tomi voller Anachronismen und Berührungspunkte mit der Modernität, das aus anthropologischer Sicht absolut negativ ist und darüber hinaus Tomi durch Schwerindustrie zu einer „eisernen Stadt“ werden lässt, werden im Roman auch Überlegungen zu den politischen Krisen totalitärer Regime angestellt. Diese werden im Text am Beispiel des unterdrückerischen Römischen Reiches dargestellt, das von der literaturwissenschaftlichen Forschung und vom Autor selbst mit den Regimen der DDR und der Sozialistischen Republik Rumänien verglichen worden ist. Ein weiteres Element der Krise ist sicherlich das der Klassizität: Die Romanfiguren stammen fast alle aus dem klassischen ovidischen Mythos, werden aber gleichzeitig ihres Glanzes beraubt und als entkräftet und erniedrigt dargestellt. Der Vortrag zielt darauf ab, diese Aspekte zu skizzieren, die diesen Text zu einem Sinnbild der deutschsprachigen Krisenliteratur machenFile | Dimensione | Formato | |
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