Dieser Aufsatz untersucht unter der zentralen Perspektive der insbesondere dem Nationalismus geschuldeten Fremdheit die drei ‚Südtirolromane‘ von Josef Zoderer, „Das Glück beim Händewaschen“ (1976), „Die Walsche“ (1982) und „Der Schmerz der Gewöhnung“ (2002). Deren erster dekonstruiert die Grundbestandteile des Nationalismus an der Fremdheitserfahrung eines Jungen, der in Südtirol geborenen ist, aufgrund der dem Nationalismus geschuldeten Südtiroler „Option“ in Österreich seine Kindheit verbracht hat und in der Handlungsgegenwart eines Schweizer Internats seine Identität als nationale in Frage gestellt sieht. Bevor die territoriale Bindung, die der Roman am Ende andeutet, im Erzählwerk von 2002 tiefergehend untersucht wird, erfolgt in „Die Walsche“ zum einen an der Entfremdungserfahrung einer deutschsprachigen Südtirolerin gegenüber ihrem Heimatdorf eine radikale Demonstration der inneren Leere des Deutsch-Südtiroler Nationalismus; zum anderen aber weist das Leben der Protagonistin im Italienerviertel Bozens, das zunächst die ethnisch-nationaler Entgegensetzung im Kontext des politischen Engagements der ‚68iger-Bewegung‘ scheint überwinden zu können, nach dessen Abklingen im Privatleben Risse und Widersprüche auf, die sich ethnisch-kulturellen Andersheiten verdanken. Haltungen des Ausgleichs und des Aushaltens derselben, wie sie in diesem Roman erscheinen, werden im dritten der Südtirolromane, in einem weit umfassenderen historischen Horizont, der auch den italienischen Faschismus miteinbezieht, in komplexeren ästhetischen Formen entworfen. In enger Verschränkung von privat-existentieller Sphäre von Liebe und Tod und gesellschaftlich-politischer von Nationalismus und Faschismus schlägt die Attraktionskraft des Fremden in seine Abstoßung um, welche zu ihrer Überwindung neue Formen der Subjektivitätseinstellung erfordert, die auch die ästhetische Form der Romanstruktur mitbestimmen.
Spielarten der Fremdheit. Zur ästhetischen Gestaltung von ethnisch-kultureller Differenz und Alterität in den Südtirol-Romanen von Joseph Zoderer / Kruse, BERNHARD ARNOLD. - STAMPA. - (2010), pp. 307-323.
Spielarten der Fremdheit. Zur ästhetischen Gestaltung von ethnisch-kultureller Differenz und Alterität in den Südtirol-Romanen von Joseph Zoderer
KRUSE, BERNHARD ARNOLD
2010
Abstract
Dieser Aufsatz untersucht unter der zentralen Perspektive der insbesondere dem Nationalismus geschuldeten Fremdheit die drei ‚Südtirolromane‘ von Josef Zoderer, „Das Glück beim Händewaschen“ (1976), „Die Walsche“ (1982) und „Der Schmerz der Gewöhnung“ (2002). Deren erster dekonstruiert die Grundbestandteile des Nationalismus an der Fremdheitserfahrung eines Jungen, der in Südtirol geborenen ist, aufgrund der dem Nationalismus geschuldeten Südtiroler „Option“ in Österreich seine Kindheit verbracht hat und in der Handlungsgegenwart eines Schweizer Internats seine Identität als nationale in Frage gestellt sieht. Bevor die territoriale Bindung, die der Roman am Ende andeutet, im Erzählwerk von 2002 tiefergehend untersucht wird, erfolgt in „Die Walsche“ zum einen an der Entfremdungserfahrung einer deutschsprachigen Südtirolerin gegenüber ihrem Heimatdorf eine radikale Demonstration der inneren Leere des Deutsch-Südtiroler Nationalismus; zum anderen aber weist das Leben der Protagonistin im Italienerviertel Bozens, das zunächst die ethnisch-nationaler Entgegensetzung im Kontext des politischen Engagements der ‚68iger-Bewegung‘ scheint überwinden zu können, nach dessen Abklingen im Privatleben Risse und Widersprüche auf, die sich ethnisch-kulturellen Andersheiten verdanken. Haltungen des Ausgleichs und des Aushaltens derselben, wie sie in diesem Roman erscheinen, werden im dritten der Südtirolromane, in einem weit umfassenderen historischen Horizont, der auch den italienischen Faschismus miteinbezieht, in komplexeren ästhetischen Formen entworfen. In enger Verschränkung von privat-existentieller Sphäre von Liebe und Tod und gesellschaftlich-politischer von Nationalismus und Faschismus schlägt die Attraktionskraft des Fremden in seine Abstoßung um, welche zu ihrer Überwindung neue Formen der Subjektivitätseinstellung erfordert, die auch die ästhetische Form der Romanstruktur mitbestimmen.File | Dimensione | Formato | |
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