Die eigenmächtige Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche ist eine schnelle Art der Konfliktlösung. Als ‚offensive Selbsthilfe‘ verstanden, handelt es sich um den einseitigen Gebrauch des eigenen Rechts ohne Anrufung oder Einschreiten der richterlichen Gewalt. In den modernen Rechtsordnungen ist sie in ihrer privaten Form aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols ausgeschlossen. Anders war jedoch die Rechtslage in der antiken Welt. Die griechische und die römische Welt unterscheiden sich in einigen sozialen und kulturellen Merkmalen, doch ist das überparteilich schiedsrichterliche Urteil und die darauf basierende Vollstreckung sowohl der griechischen als auch der römischen Welt gemein. Im altrömischen Recht wurde die eigenmächtige Reaktion gegen einen Angriffsakt im Prozess ritualisiert. In der republikanischen Zeit war die Konfliktlösung durch Selbsthilfe möglich, wenn das Recht unumstritten war und sofern sie nicht zu einer Störung des friedlichen Zusammenlebens führte. Ab dem 1. Jh. v.Ch. wurde die Gewalteindämmung jedoch zu einem wichtigen Bestandteil der spätrepublikanischen und dann kaiserlichen Gesetzgebung. Ein decretum des Kaisers Mark Aurel bildete den Wendepunkt. Die Zurückdrängung der von Privaten ausgeübten Gewalt wurde seitdem allmählich anders konzipiert und zum Zwecke einer besser geordneten Regelung der Zuständigkeit zur Konfliktlösung strukturiert. Die prinzipielle Beseitigung der Selbsthilfe setzt sich in der hierarchischen Weltanschauung der Spätantike fort: Die Durchsetzung eigener Ansprüche ohne die lebende Stimme des Rechts, also die kaiserliche Autorität, anzurufen, war grundsätzlich unzulässig.
Selbsthilfe als Konfliktlösung / Marino, Salvatore. - 1:(2021), pp. 37-46. [10.1007/978-3-662-56100-3_4]
Selbsthilfe als Konfliktlösung
Marino Salvatore
2021
Abstract
Die eigenmächtige Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche ist eine schnelle Art der Konfliktlösung. Als ‚offensive Selbsthilfe‘ verstanden, handelt es sich um den einseitigen Gebrauch des eigenen Rechts ohne Anrufung oder Einschreiten der richterlichen Gewalt. In den modernen Rechtsordnungen ist sie in ihrer privaten Form aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols ausgeschlossen. Anders war jedoch die Rechtslage in der antiken Welt. Die griechische und die römische Welt unterscheiden sich in einigen sozialen und kulturellen Merkmalen, doch ist das überparteilich schiedsrichterliche Urteil und die darauf basierende Vollstreckung sowohl der griechischen als auch der römischen Welt gemein. Im altrömischen Recht wurde die eigenmächtige Reaktion gegen einen Angriffsakt im Prozess ritualisiert. In der republikanischen Zeit war die Konfliktlösung durch Selbsthilfe möglich, wenn das Recht unumstritten war und sofern sie nicht zu einer Störung des friedlichen Zusammenlebens führte. Ab dem 1. Jh. v.Ch. wurde die Gewalteindämmung jedoch zu einem wichtigen Bestandteil der spätrepublikanischen und dann kaiserlichen Gesetzgebung. Ein decretum des Kaisers Mark Aurel bildete den Wendepunkt. Die Zurückdrängung der von Privaten ausgeübten Gewalt wurde seitdem allmählich anders konzipiert und zum Zwecke einer besser geordneten Regelung der Zuständigkeit zur Konfliktlösung strukturiert. Die prinzipielle Beseitigung der Selbsthilfe setzt sich in der hierarchischen Weltanschauung der Spätantike fort: Die Durchsetzung eigener Ansprüche ohne die lebende Stimme des Rechts, also die kaiserliche Autorität, anzurufen, war grundsätzlich unzulässig.File | Dimensione | Formato | |
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